Chronik der Schützenkompanie Rosenthal Lüsen vom Anfang bis zum Jahr 1958
Die Schützenkompanie von Lüsen kennt zweierlei Arten von Entstehung. In der Pfarrchronik werden sie im 18. Jahrhundert als wehrhafte Schützen und im 19. Jahrhundert als Trachtenschützen bezeichnet. Die erste ausdrückliche Erwähnung der Schützen von Lüsen erfolgt 1757 anlässlich der Einsetzung des Allerheiligsten in der St. Nikolauskirche zu Petschied: „Man erschien in rothen Hemden (Joppen) . . . die Schützen begleiteten das Höchste Gut, man schoss aus Pöllern“. 1784 erhielten sie für die Begleitung des Höchsten Gutes ein paar Kreuzer.
In den Abwehrkämpfen 1796 wurden die Lüsner Schützen auf Anordnung des damaligen Richters von Lüsen, Josef von Klebelsberg, dem Hofgericht Brixen zugeteilt, wo sie zur Verteidigung der südlichen Landeshälfte im Fleimstal eingesetzt waren, während Richter von Klebelsberg selbst die Schützen von Klausen, Latzfons, Verdings und Feldthurns kommandierte.
Beim bekannten Gefecht am 2. April 1797 in Spinges sind die Lüsner Schützen zwar nicht direkt beteiligt gewesen, sind dann einige Tage nach Bekannt werden des Gefechts unter Führung von Pfarrer Anton Kuen über Villpeder nach Rodeneck vorgerückt. In Rodeneck hielten sich aber noch französische Soldaten auf. Als diese die Lüsner herankommen sahen, fürchteten sie, im Rücken angegriffen zu werden und verließen sofort die Gegend. Somit kann man sagen, dass auch die Lüsner beim Gefecht in Spinges ihren Anteil geleistet hatten.
Weiters berichtet das Lüsner Dorfbuch, dass Hauptmann Josef Kelz 1797 als Hauptmann einer 122 starken Mann Verteidigungsmannschaft von Lüsen ins Pustertal vorrückte. 34 Mann erklärten sich bereit, sich dem Hauptmann Piristi anzuschließen, die drei Wochen aushielten. Eine Abteilung der Lüsner soll sich unter Kooperator Gumpold sogar bis Belluno begeben und sich dort mehrere Wochen aufgehalten haben.
Die Lüsner Schützen waren nach 1806 dem Hofgericht Brixen zugeteilt und waren öfters eingesetzt worden, ohne dabei eigens erwähnt zu sein.
Im Jahre 1809 führte der Bauernknecht Georg Gargitter die Kompanie an, als es darum ging, dem Feind im Tale nie Einlass zu gewähren, und so konnte auch durch die Mithilfe des Pfarrers Anton Kuen das Tal vor der Plünderung durch die Franzosen gerettet werden. Pfarrer Anton Kuen wurde für diese Tat ausgezeichnet. Auch an den Bergiselschlachten waren die Lüsner Schützen beteiligt.
In den Jahren um 1812 wurden von den Villnößern Musikinstrumente angekauft und vom Jahre 1814 ist der erste Auftritt vom Musikanten in Schützentracht dokumentiert. Dieses Jahr gilt somit als Gründungsjahr der Musikkapelle Lüsen.
Zur Begrüßung von Kaiser Franz mit Gemahlin führte Georg Kerer am 26. Oktober 1815 „24 roth gekleidete Schützen mit ihren Musikanten an der Spitze“ nach Brixen. Sechs Kinder trugen ein vom Pfarrer Georg Niedermair Verfasstes Gedicht vor, in dem sie den Kaiser als Vater ansprachen. Das Gedicht endete mit folgenden Worten:
„Vater, Du willst es doch wissen?
Unser Tal heißt Lisen.
Vater, denk an Dein Tyrol!
Und a an Lisen – lebe wohl!“
Rote „Hemater“ und schwarze „Pluderhosen“ waren damals die Kleidung der Männer. 1816 gingen viele Schützen zu Fuß nach Innsbruck zur Erbhuldigung. Jeder Schütze besaß wieder seinen Stutzen und stellte sich in Festtagstracht. „24 roth gekleidete Schützen“ werden wiederum in der Chronik erwähnt, als sie beim Mairhof Fürstbischof Franz Karl zur Altarweihe empfingen (21.7.1817). Nach der Weihe wurde der Bischof von acht rot gekleideten Schützen bis in den Wald und dann über den Wetzstein hinab und durch die Stadt nach Hofe getragen, wofür sie zwei päpstliche Goldstücke erhielten. Mit der Erbhuldigung von 1838 begann dann das Trachtenschützenwesen.
Noch in jenem Jahr zogen die Lüsner Schützen mit ihren roten Jacken und mit grünweißen Kokarden am Hut zur Einweihung der Franzensfeste. Bei diesem Anlass sind sie mit ihren Kunstblumen am Hut erwähnt. Eine weitere Erwähnung wurde von Historiker Dr. Ernst Delmonego im Jahre 2009 im „Denkbuch der Erbhuldigung in Tirol 1838“ von Beda Weber gefunden. Auf Seite 140 wird von der Einweihung der Franzensfeste am 18. August 1838 berichtet, an der neben dem Kaiser Ferdinand, dem Erzherzog Johann und Fürstbischof Bernhard Galura von Brixen unter anderem auch 700 Schützen vom Landgericht Brixen und aus dem Pustertal teilnahmen. Wörtlich schreibt nun Beda Weber: „Unter den Schützen zeichneten sich besonders die Lüsener aus, eine gesonderte Abteilung der Kompanie des Landgerichtes Brixen, mit einer neuen in Gold gestickten Fahne, ihre Hüte von gelbgrüner Farbe mit breiten Flügeln, rechts aufgestülpt, mit weißgrüner Kokarde, dahinter mit Spielhahnfedern ausgeschmückt, in rottuchenen Jacken, kurzen Hosen schwarzer Farbe und weißen Strümpfen, so bergesfrisch in Fleisch und Teint, als wären sie aus Metall gegossen.“ Somit hat man erstmals auch einen Beleg gefunden, dass die Kompanie bereits vor 1900 eine eigenen Fahne besaß, deren genauerer Ursprung und Verbleib aber leider völlig unbekannt sind.
Erwähnt werden die Schützen auch 1855 beim Brand am Gostnerhof in Petschied, dass Hptm. Franz Ploner, Pichlerbauer, mit seiner ganzen Kompanie beim Holzfällen beim Wiederaufbau mithalf.
Zehn Jahre später war gerade die inzwischen abgeschaffte Landesverteidigung die letzte Rettung im Kampf gegen die Italiener. Die Wehrgesetze von 1870 zerschlugen Tirols Selbstverteidigung und machten aus den Schützen nur mehr Paradeschützen, die drei Aufgaben zu erfüllen hatten:
1. Einschulung für das Landsturmwesen durch Scheibenschießen,
2. zur Erhöhung von Festen und Feiern beizutragen,
3. für die öffentliche Sicherheit zu sorgen.
Von ungefähr 1880- 85 wurde die Kompanie von Kassian Stampfl, Scheaterbauer, geführt. Von 1885 bis zum 1. Weltkrieg führte Alois Prosch, Postbote- Schönbrunn, die Kompanie an.
Aus einem Bericht in der “Brixener Chronik” vom 25. August 1900, Seite 5, geht hervor, dass durch die Bemühungen des Herrn Ignaz Hofer, Unterwirt in Lüsen, den Lüsner Schützen ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung ging als sie eine schöne von Herrn Hofer in Brixen angefertigte Fahne erhielten, die am Fest Maria Himmelfahrt am 15. August 1900 von Pfarrer Josef Kofler geweiht wurde. Fahnenpatin war Frau Fanny Leopold, geborene Stremitzer und Tochter des gleichnamigen Wirtshauses (heute Grüner Baum) von Brixen. Ferner ist in diesem Artikel vermerkt, dass Fräulein Rosa Pichler, ebenfalls eine Brixner Bürgerstochter, den Lüsnern ein schön gesticktes Fahnenband spendierte. Laut Überlieferung hat es auch 1910 eine Fahnenweihe gegeben, Fahnenpatin war Frau Rosina Ragginer, Schmiedemeistersfrau vom Kaserbach. Die Kompanie war damals in zwei Zügen eingeteilt, insgesamt bei 40 Mann. Aus diesem Jahre stammen die ersten handgeschriebenen Statuten des „Lüsner Schützen- und Trachtenvereins“.
Bei der Jahrhundertfeier 1909 defilierte die Lüsner Kompanie beim Kaiser Franz Joseph in Innsbruck unter den 32.000 Festzugsteilnehmern vorbei. Bei dieser Gelegenheit wurde dieses Bild aufgenommen (v.l.n.r.): Hptm. Alois Prosch – Postbote, Zugführer Jakob Oberhauser – Prist, Fähnrich Franz Hinteregger – Mairhof, Lt. Jakob Hinteregger – Koch; Marketenderinnen Rosa Ragginer – Maurertochter, StefaniaTscheikner – Ragginertochter; Jungschützen Franz Hinteregger – Mairhof (stehend) und Franz Rastner – Plider.
Beim Eucharistischen Kongress 1912 in Wien nahm eine Abordnung teil. Darunter befand sich auch der damalige Bürgermeister Franz Bacher, Passeider. Laut mündlicher Überlieferung ging es auch etwas feucht her (siehe Bild in der Fahnen-Chronik).
Nach dem 1. Weltkrieg wurde die Kompanie von Franz Winkler, Gschlorerbauer, und von Franz Hinteregger, Mairhoferbauer, mit 21 Mann wieder ins Leben gerufen. In den Jahren 1921 bis 1922 führte Franz Mair, Pecherlechner, die Kompanie an. Beim großen Dorfbrand 1921 ist die Hälfte der Trachten verbrannt, die Fahne aber konnte gerettet werden.
Am Fronleichnamstag 1925 konnte ein letztes Mal ausgerückt werden. In der Früh gleich nach der Aufstellung gab der faschistische Podestà den Befehl, sofort mit den Schützen zu „verschwinden“ und die Fahne ihm abzugeben. Hauptmann Franz Winkler sagte, er solle vor Beginn des Gottesdienstes keine Aufregung schaffen und hernach werde er abziehen. Auf diese Worte ließ sich der Podestà ein. Während der Prozession verschwand dann der damalige Fähnrich Franz Hinteregger, Mairhoferbauer, mit der Fahne und versteckt sie in seinem Hofe, wo er später eigens eine Truhe anfertigen ließ. Sehr besorgt war der Podestà über den Verbleib der Fahne, aber keiner der tapferen Schützen „wusste“ etwas. In den späteren Jahren musste die Fahne bis zum Ende des 2. Weltkrieges im Kirchturm versteckt werden, was zur Folge hatte, dass der Stoff verfaulte und nur mehr die Fahnenbilder und die Lanze für die neue Fahne (1951) verwendbar waren.
Zur 150 Jahrfeier des Herz Jesu Gelöbnisses am Herz Jesu Sonntag 1946 in Bozen wurde von einigen beherzten Männern der Heimkehrer, darunter Siegfried Sigmund, Josef Niedermayr und Franz Hinteregger, Mairhofer, alles an Schützentrachten wieder zusammengesucht, um dabei sein zu können. Mit Mühe und Not konnten noch 15 Schützen eingekleidet werden, die dann mit der Musikkapelle auf zwei offenen LKW des Willi Hinteregger zur Bundeserneuerung nach Bozen fuhren und auf der Rückfahrt auf dem Kochplatz vom Pfarrer Eduard Mair unter der Eggen empfangen und ins Dorf begleitet wurden. Jener Sonntag, nach zwei Jahrzehnten faschistischer Unterdrückung und Jahren des Krieges wurde Heimat-Sonntag genannt und somit fasste die Tiroler Tradition in Südtirol wieder Fuß. Einige Männer rückten von da an an Festtagen immer wieder aus, bis 1948 Josef Niedermayr, Oberwirtssohn, offiziell als Hauptmann hervorging. Laut Aussagen wurde hier eine Aufnahmeliste geführt, sodass dieses Jahr als Jahr der Wiedergründung der Schützenkompanie Lüsen gilt.
Da man in dieser Zeit in erster Linie den materiellen Aufbau betrieb und v.a. mit dem Zusammensuchen von Trachten beschäftigt war, wurde weiniger auf schriftliche Notiz geachtet, auch ist in der Verbotszeit der 60er Jahre leider vieles an Unterlagen verloren gegangen. Um diese Zeit besteht die gewählte Kommandantschaft aus dem Hauptmann und zwei Beiräten, wobei der Ältere als Hauptmannstellvertreter fungierte.
Von 1949 bis 1951 führte Johann Grünfelder, Großplonersohn, die Kompanie. Die alte Fahne wurde zur Gänze renoviert und konnte am Herz-Jesu Sonntag 1951 von Pfarrer Eduard Mair unter der Eggen wieder gesegnet werden. Die Fahnenpatin Frau Rosa Winkler, Kochbäuerin, bestimmte den Fähnrich und übergab die Fahne an den von Statur großen Hermann Prosch, dem damaligen Jünglingsbundfahnenträger. Anschließend lud sie die ganze Kompanie, die damals 25 Mann zählte, zum Mittagessen beim Oberwirt ein. Hauptmann war Franz Winkler jun., Gschlorer, der bis 1957 die Kompanie und auch die Schrift führte. Amtlich musste sich die Schützenkompanie damals „Gruppo Folkloristico“ nennen.
Eine besondere Ehre war es den Schützen dabei zu sein, als 1952 ihr Landsmann Dr. Josef Gargitter in Brixen zum Bischof geweiht wurde. Zwei Jungschützen trugen ein Gedicht vor.
Bei der Patenschaftsfeier des SKFV Brixen mit dem VDK Regensburg waren im Jahre 1957 Lüsner Schützen dabei, u.a. Sepp Federspieler, Franz Hinteregger, Mairhoferbauer, und Josef Niedermayr, Oberwirts Peppe.